Die Trümmer schweigen nicht

Die Geschichte von Wollseifen, erzählt von Josef Lorbach.


Die gute alte Zeit im ehemaligen Eifeldorf Wollseifen, Geschichten die sich um das Dorf rankten, alte Wollseifener Originale - und die Ereignisse die schließlich zum Untergang des Dorfes führten, sowie die schwere Zeit des neuen Anfangs für die ehemaligen Wollseifener werden in Josef Lorbachs Erinnerungen wieder wach.
Josef Lorbach war über Jahrzehnte als Journalist tätig und selbst einer der Betroffenen. Als 37-jähriger erlebte er das bittere Ende seines Heimatdorfes Wollseifens mit.


Es war an einem heißen Sonntag im August 1946. „Om Hennes“, der Straße vor der Kirche in Wollseifen stand die Überzahl der Männer des Dorfes gestikulierend in aufgeregter Unterhaltung zusammen. Die Frauen, auf dem Heimweg aus der Kirche erweckten einen niedergeschlagen Eindruck und eine Vielzahl der Frauen schämten sich an diesem Augustsonntag ihrer Tränen auf offener Straße nicht. Es war so, als wollten die schwülen Gewitterwolken das ganze Dorf, samt Mensch und Tier erdrücken.
Der aufregende Gesprächsstoff der Männer war die Zwangsräumung des Dorfes Wollseifen, die von der Militärregierung am 1. September 1946 an verordnet worden war. Das Gerücht über die Räumung des Dorfes zugunsten des von der englischen Besatzungsmacht einzurichtenden Truppenübungsplatzes Vogelsang hat schon seit einigen Monaten wie ein Damoklesschwert über den Bewohnern des Dorfes gehangen.

 

Nun war das Gerücht zur traurigen Wirklichkeit und Gewissheit geworden. In den „Aachener Nachrichten“ vom 13. August 1946 stand die Meldung: „Wollseifen wird geräumt“:
Im Zuge militärischer Notwendigkeiten ist die Räumung des Dorfes Wollseifen zum 1.9.1946 angeordnet worden. Es ist Vorsorge getroffen dass die Ernte der rund 450 ha umfassenden Landfläche noch eingebracht und mitverlagert wird. Durch die Maßnahme werden rund 100 Familien mit insgesamt etwa 500 Personen vor die Notwendigkeit gestellt, die alte Heimat zu verlassen und sich anderweitig anzusiedeln.
Das zu räumende Gebiet, das in Zukunft in die militärischen Anlagen der Burg Vogelsang mit einbezogen werden soll umfasst insgesamt 750 ha. Das Gebiet lag im Winter 1944/45 unmittelbar im Bereich der Front. Nach dem Ende des Krieges und der Rückkehr in ihr Dorf haben die Wollseifener mit viel Mühe ihre Äcker und Häuser wieder benutzbar gemacht und empfinden es daher um so schmerzlicher, nun erneut Haus und Hof verlassen zu müssen. Die zu evakuierenden Familien sollen vorwiegend in den nicht oder weniger beschädigten Dörfern des Kreises Schleiden angesiedelt werden.
Nach Abzug der Sonntage blieben bis zum Räumungstermin noch zwölf Arbeitstage. Die Männer diskutierten auf der Straße darüber, was zu tun sei. Es war kaum jemand dabei, der zum Widerstand aufgerufen hätte, obwohl über die Unmenschlichkeit und Tragik des Räumungsbefehls Übereinstimmung bestand. Einzelne der Männer äusserten damals sogar die Auffassung, dass die Engländer den Nazis im Bezug auf Unmenschlichkeit kaum nachständen.
Andere versuchten auch zu trösten und meinten, vielleicht habe die Räumung nur für ein paar Wochen Geltung, man wisse doch aus eigener Erfahrung, dass militärische Anordnungen selten von längerem Bestand wären.
Einige aber äußerten ernst und bedächtig: „Wenn in 20 oder 50 Jahren unsere Kinder und Kindeskinder einmal dahinten über die Landstraße am Walberhof kommen, dann werden sie sagen können: "Da drüben auf der kahlen und öden Anhöhe stand einmal ein Dorf und, da haben unsere Vorfahren  Jahrhunderte lang gelebt und da wurden sie geboren und sind gestorben. Da haben sie nicht nur den rauhen Stürmen und den Härten des Lebens die Stirn geboten, da haben sie Glück und Freude erfahren.“


„Der Befehl ist da und wir haben nun darüber zu beschließen, wie die Ausführung stattfinden soll. Vor zwei Jahren lag ungefähr derselbe Befehl vor und wir mussten unsere Heimat verlassen und wussten nicht wohin. Dieses ist uns heute aber gewiss, wir können all unser Hab und Gut mitnehmen, soweit es beweglich ist, was aber den Ostflüchtlingen untersagt ist. Dort können wir uns ein Beispiel nehmen.“
Das waren die Einführungsworte, die Bürgermeister Wilhelm Stupp aus Gemünd, auf einer kurzfristig einberufenen außerordentlichen Sitzung des Dreiborner Gemeinderates im Haus Fernblick in Morsbach sprach, wo die betroffenen Wollseifener zahlreich vertreten waren.
Oberkreisdirektor Dr. Graff berichtete über die bisherigen Verhandlungen mit der Militärregierung. Im Vordergrund standen zunächst drei Schwerpunkte:
•  Die Räumung des Dorfes Wollseifen
•  Vorläufige Unterbringung der Bevölkerung und sichere Einbringung der Ernte
•  Endgültige Unterbringung und Neuansiedlung im Kreis Schleiden


Mit dem Räumungsbefehl der englischen Militärregierung wurde gleichzeitig das Verbot ausgesprochen, wonach das Dorf Wollseifen und das umliegende Sperrgebiet nach dem 31. August 1946 nicht mehr betreten werden durfte.


Von der Schleidener Kreisverwaltung wurde die Versicherung abgegeben, im Einvernehmen mit der Militärregierung bemüht zu sein, bis zum nächsten Frühjahr den Landwirten neue Existenzmöglichkeiten im Kreis Schleiden zu beschaffen. Zum Neuaufbau von Betrieben wurde von der Militärregierung ein Baukontingent zugesagt. Als Sofortmassnahme wurden zehn englische Militärfahrzeuge, zehn deutsche Lastwagen, 25 Gespanne aus dem Kreis Euskirchen und 40 Helfer für die Räumungsaktion zur Verfügung gestellt.
Zahlreiche Bewohner aus den Nachbardörfern leisteten freiwillig mit Gespannen und Arbeitskräften jede erdenkliche Hilfe.
Franz Heup aus Wollseifen und Ivo Jost aus Dreiborn wurden in einen Ausschuss gewählt, dem aufgegeben war, mit der Militärregierung Verbindung zu halten.
Noch vor dem Abschluss der Räumungsaktion zog die erste zugelassene Zeitung “Aachener Nachrichten“ Bilanz:
„Der einzurichtende Truppenübungsplatz Vogelsang erstreckt sich über eine Fläche von rund 400 ha. Das sind zwei Drittel des Gebietes der Gemeinde Dreiborn, der das Dorf Wollseifen zugehörte. 150 ha dieser Fläche war bestes Kartoffelanbaugebiet.
In der Gemeinde Dreiborn wurden bis zum Zusammenbruch 2115 Stück Rindvieh gehalten. Es wurden pro Jahr und Kuh 2200 Liter Milch erzeugt. Von der Einrichtung des Truppenübungsplatzes wurden insgesamt 350 landwirtschaftliche Betriebe betroffen, davon verloren 100 Betriebe ihr gesamtes Wirtschaftsland. Rund 2000 Personen wurden durch die Einrichtung des Truppenübungsplatzes in Mitleidenschaft gezogen.“

 

Gleich nach dem Bekanntwerden des Räumungsbefehls rief der Dreiborner Pfarrer Dr. Klein die Dreiborner zur Hilfeleistung auf. Von der Kanzel rief er: „Es ist kein Geheimnis mehr, am Rochusfest ist in Wollseifen die letzte heilige Messe. Helft den Wollseifenern. Geht sie euch holen.“
Die Dreiborner kamen. Sie halfen bei der Ernte und bei der Räumung. Viele Wollseifener fanden auch in Dreiborn Obdach und eine vorläufige Bleibe, obwohl Dreiborn noch schwer kriegszerstört war und die Dreiborner auch selbst vom Truppenübungsplatz hart betroffen waren.
Es war keine Zeit zu verlieren. Jeder Tag zählte. Noch wusste in Wollseifen kaum jemand, wo er am Abend des 31. August sein müdes Haupt niederlegen sollte. Einzelne Männer trösteten sich und meinten, vor zwei Jahren wäre alles noch viel schlimmer gewesen. Damals habe man in völliger Ungewissheit monatelang zwischen zwei Fronten gestanden und habe zuguterletzt die Heimat doch noch verlassen müssen. Die Frauen und die alten Leute waren dagegen nicht so leicht zu trösten.

 

Die Bewohner der Nachbardörfer halfen.

 

Ein ganzes Dorf ging unvermittelt auf Herbergssuche. Alle alten und neuen Bekanntschaften wurden ausgegraben. Alle Verwandte und Bekannte ließ man im Geiste Revue passieren und überlegte, ob man es wagen könne, da oder dort nach einer vorläufigen Bleibe zu fragen. In den Nachbardörfern boten viele an, was sie hatten, obwohl auch bei Ihnen noch nicht alle Kriegswunden verheilt waren. Es bewahrheitete sich auch das alte Sprichwort „Freunde in der Not, gehen tausend auf ein Lot“.
In einer Versammlung der Wollseifener in Morsbach beklagte der Oberkreisdirektor Dr. Graff, dass sich die Unterbringung der Wollseifener äußert schwierig gestalte. Eine Handhabe für die Beschlagnahme von Land oder Wohnungen könnte der Kreisverwaltung nur vom Ministerium gegeben werden. Über die Kreisgrenzen hinaus aber habe man nur wenig Verständnis für das Schicksal der Wollseifener gefunden.
In Lechenich sei ein Fall bekannt geworden, wo man einer Frau mit sieben Kindern nicht nur die Zuzugsgenehmigung, sondern auch die Lebensmittelkarten verweigert hätten. Dagegen habe sich die Amtsverwaltung in Zingsheim vorbildlich hervorgetan und 1100 Morgen Land für die Wollseifener zur Verfügung gestellt.

In Holzheim bei Mechernich, so berichteten die Aachener Nachrichten, wurden die Wollseifener Ausschussmitglieder auf der Land- und Herbergssuche von dem dortigen Kreis- und Landtagsabgeordneten Wilhelm Meyer, mit einem landwirtschaftlichen Betrieb von 350 Morgen, als Eindringlinge und als reif für nach Düren (Irrenhaus) betitelt, für die in Holzheim kein Platz sei!
In einer Sitzung des Schleidener Kreistages am 31. März 1947 brandmarkte der Oberkreisdirektor Dr. Graff das unchristliche und asoziale Verhalten großer Personenkreise und vieler Gemeinden, die sich von vorneherein gegen die Aufnahme auch nur einer einzigen Wollseifener Familie stemmten. Besitzer, die mehr als 80 Morgen Land bewirtschafteten, weigerten sich, auch nur einen oder zwei Morgen Land pachtweise an eine Wollseifener Familie abzugeben. Als der oben zitierte Kreisvertreter und ehemaliger Landtagsabgeordnete
Wilhelm Meyer aus Holzheim zu den Ausführungen des Oberkreisdirektors Stellung nehmen wollte, wurde er von zahlreichen und empörten Rufen der Missbilligung unterbrochen.
Mehr schlecht als recht gingen die Wollseifener in einen außergewöhnlich harten Winter hinein. Es war ein karges Vegetieren. Von produktiver Arbeit konnte nirgends die Rede sein. Hausrat, Möbel und auch Getreide und Futtermittel waren zum Teil der Witterung ausgesetzt, weil die erforderlichen Unterbringungsmöglichkeiten einfach nicht vorhanden waren. Viele der in den Randdörfern das Truppenübungsplatzes notdürftig untergebrachten Wollseifenern warfen täglich sehnsüchtige Blicke auf ihr verlassenes und ausgestorbenes Dorf und träumten hoffnungsvoll von einer baldigen Heimkehr.

Das alte Land Überrur.

 

Das Gesicht des Dorfes wurde allmählich geisterhaft und gespenstisch. Dohlen siedelten sich in dem zerstörten Kirchturm an und Eulen nisteten im noch stehen gebliebenen Gemäuer der zerstörten Häuser. Moos und Unkräuter machten sich in den früher gepflegten Hausgärten breit und wilde Kaninchen gruben dort ihre Baue.


Das Dorf ist tot, aber Trümmer schweigen nicht...


Werfen wir dessen ungeachtet einen Blick auf die Historie und die noch lebendige Geschichte des Dorfes Wollseifen.
Historische Aufzeichnungen von Wollseifen sind im wesentlichen dem in  Gemünd verstorbenen Oberstudienrat i. R. Wilhelm Günther zu verdanken, dessen heimatkundliche Arbeiten allgemein anerkannt sind.

Nach seinen Aufzeichnungen war das Land zwischen Erkensruhr, Rur, unter Urft und der alten Römerstraße ein Gebiet von 40 qkm und bildete das alte Land Überrur.
Ungeachtet erheblicher Rechte der Kölner Kirche war es um 1100 bis 1200 Teil des Herzogtums Limburg bzw. der Herrschaft Monschau.
1379 kam das Land Überrur an Kronenburg, 1413 an Lothringen, 1467 an Virneburg und 1476 an Schleiden, wo es bis 1794 als eigenes Amt Wollseifen verblieb. Monschau übte bis 1549 im Land Überrur die hohe Gerichtsbarkeit aus. Ein alter Mittelpunkt war der Walberhof, ein ursprüngliches Königsgut aus dem frühen 12. Jahrhundert und Wallonensiedlung. Konrad III. schenkte den Hof 1145 dem Kloster Steinfeld und um 1150 erbaute der Steinfelder Mönch Gedulfus eine Kapelle, bei deren Einweihung vom nahe gelegenen Wollseifen die Rede war. Urkundlich erwähnt wurde Wollseifen (Wolfsyffen) am 25.6.1361 in einer Urkunde Herzog Wilhelms II. von Jülich.
Am 8. Juli 1670 kaufte Johann von Harff in Dreiborn das Land Überrur mit dem Dorf Wollseifen für 10.000 Reichstaler. Am 22. November 1681 jedoch befahl König Ludwig XIV. die Rückgabe an Schleiden.
1697 rebellierten die Wollseifener gegen die von Harff, weil ihre „uhralten freyheiten und gerechtigkeiten gravirt“ würden. Die Grafen von der Mark in Schleiden, hinter denen die von Luxemburg-Habsburg standen, meldeten immer wieder ihre Ansprüche an. Am 1. Februar 1712 kam das Land dann wieder an Schleiden.
Die 1635 fertig gestellte Kirche in Wollseifen wurde 1660 zur Pfarrkirche erhoben, nachdem Wollseifen bis dahin zur Pfarre Olef gehörte. Als Pfarrpatron verehrten die Wollseifener den heiligen Rochus.

 

1695 hatte das Dorf 54 Haushaltungen. Die Einwohnerzahl im Jahre 1826 betrug 389 und bei der Räumung 1946 etwa 500 mit den noch nicht zurückgekehrten Kriegsgefangenen.

Dorfschuhmacher Johann Küppers und seine Geschichten.

 

Wollseifen hatte wie viele andere Eifeldörfer seine eigenen Spuk- und Geistergeschichten. Um einen lebendigen Eindruck von diesen Geschichten zu bekommen, halten wir uns wohl am besten an den Wollseifener Dorfschuster Johann Küppers, der um die Jahrhundertwende eine echte „Walz“ absolviert hatte. Jahrzehntelang hat der in den dreißiger Jahren verstorbene Dorfschumacher noch bei seiner Petroleumslampe und mit der wassergefüllten „Schusterkugel“ ganze Nächte durchgearbeitet und dabei seine Geschichten erzählt. Weil er wohl selbst an seine Geschichten glaubte, wirkten sie so überzeugend. Eine dieser Geschichten war die Sage vom Kellebergsmännchen:


Es war im Jahre 1822, als einer der reichsten Männer von Wollseifen seinem Leben durch Erhängen ein Ende machte. In der damaligen schlechten Zeit verkaufte dieser sein Getreide zu Wucherpreisen und wer nicht bezahlen konnte, musste für ein paar Groschen Frondienste leisten, wenn er nicht mit seiner Familie Hunger leiden wollte. Die Strafe aber folgte auf dem Fuße. Insekten hatten die Körner seiner Früchte so ausgehöhlt, dass nur die Schale übrig blieb. Der entstandene Schaden quälte den Mann so sehr, dass er sich erhängte.

Die Angehörigen des Mannes versprachen einem Knecht vom Walberhof ein Malter Korn, wenn er die Leiche vom Baum losmache und in die Urft werfe, um ein Unglück vorzutäuschen. Nachdem nun der Mann im Dorf vermisst wurde, ging jung und alt auf die Suche. Ein Mann namens G. M., den der Schumacher noch gekannt hat, stocherte mit einem Holzhaken in der Urft und brachte zum Entsetzen aller die Leiche an Land. Wie wahnsinnig schrie er dann: „Hätt ich en ekisch net fonge.“ ("Hätte ich ihn nur nicht gefunden".)
Der damalige Pfarrer M. M. hat lange gebetet, bis der Mann wieder bei Sinnen war. Der betreffende Pfarrer hat dann nach Jahren den immer wiederkehrenden Geist des Selbstmörders in die „Bad“, ein Waldgrundstück bei Blens verbannt mit dem Bemerken, dass der Geist noch zweimal in Wollseifen erscheinen werde. Nach unserem Gewährsmann ist der Geist noch einmal am 27. Juni 1967 und dann noch einmal in den 70er Jahren erschienen, was durch glaubwürdige Zeugen festgestellt worden sein soll.
Der Geist des Selbstmörders erschien in seinem früheren Hause und trieb sämtliche Schafe mit Stockschlägen auf die Straße. Seine zwei Söhne liefen zu den nächsten Nachbarn und baten, die Schafe wieder in den Stall zu treiben. Die beiden Brüder und ihre Schwester hatten zu der Zeit eine Magd aus Harperscheid, die sich vor dem leibhaftigen Teufel nicht fürchtete. Wenn die Magd beim Melken war, kam der Geist und prügelte mit einem Stock eine daneben stehende Kuh. Saß die Magd am Herd, kam der Geist und stocherte mit seinen Händen im Herdfeuer. Auf die Frage des Geistes, ob sie sich nicht fürchtete, antwortete die Magd: „Gott und die allerseligste Jungfrau Maria sind mein Schutz, da kann mir kein böser Geist etwas anhaben.“
Als später der Erbe H. V. in diesem Haus verstorben war, hielten drei beherzte Männer aus der Nachbarschaft die Totenwache. Punkt Mitternacht gingen wie auf ein Kommando mit lautem Geräusch alle 15 Türen des Hauses auf.

In Wollseifen ging seitdem das Gerücht um, dass der in der „Bad“ verbannte Geist jedes Jahr einen „Hahnenschritt“ näher auf Wollseifen zukäme, um Rache zu üben. Als nun im September 1946 die Wollseifener ihr Dorf verlassen mussten, da flüsterten manche ängstliche Frauen hinter vorgehaltener Hand: Das ist die Rache von „Hahneschrot“, er hat das Dorf wieder erreicht.

Die letzte Hexe von Wollseifen.


Vor mehr als 50 Jahren (so schrieb der Autor Josef Lorbach im Jahre 1981) erfuhr ich vom Dorfschuhmacher Küppers beim Schein einer verrußten Petroleumlampe die Geschichte von der letzten in Wollseifen bekannten Hexe:


Vor vielen Jahren wohnte in Wollseifen eine Frau, der man nachsagte, sie könne etwas. Eines Tages kam die Frau zu Leuten in der Nähe des „Wolzig“ und fragte, ob in der Nacht bei ihnen das Fleisch aus dem Rauchfang gestohlen worden sei. Bestürzt schauten die Leute nach und stellten fest, dass die besten Fleischstücke entwendet waren.
Die der Hexerei verdächtigte Frau tröstete die so hart betroffenen Leute und sagte, vielleicht hätten sie Glück. Sie habe den Dieb am Kuchenpfännchen, einer heute vom Urftsee umspülten Bergkuppe „stehen lassen“. Die Leute gingen zum Kuchenpfännchen und da stand tatsächlich ein Mann mit dem gestohlenen Fleisch. Er konnte weder vorwärts noch rückwärts, er war wie an einen Fleck gebannt. Die Leute bekamen ihr Fleisch zurück.
Ein anderes Mal hatte es die besagte Hexe mit den fremden Holzfuhrleuten, die im Dorf Rast machten. Sie kam ständig und erbettelte sich von ihnen etwas Kaffeemehl. Den Holzfuhrleuten wurde das lästig und sie verweigerten der Frau das Kaffeemehl.
Als dann die Fuhrleute im Wald ihre Wagen wieder beladen hatten, brachten sie die Pferde eines Fuhrmanns nicht in Gang. Die Fuhrleute spannten noch die anderen Pferde vor den Wagen, aber der bewegte sich nicht.
Schließlich fiel einem der Fuhrleute auf, dass an einem Wagenrad eine Speiche zuviel war. Er nahm eine Axt und schlug die unregelmäßige Speiche aus dem Rad und sogleich zogen die Pferde los. Am nächsten Morgen trug die Frau ihren rechten Arm, dick verbunden in einer Schlinge.
Etwas später kam ein wandernder Handwerksbursche zu dem damaligen Küster in Wollseifen und erzählte ihm, wenn er wissen wolle, ob Hexen im Dorf wären, dann solle er dem Pfarrer während der Messe ein altes Kreuzfettmännche (altes Geldstück) unter das Messbuch legen und danach dasselbe nach der Messe unter die Tür schieben. Solange das Geldstück unter der Kirchentür liege, könne keine Hexe die Kirche verlassen.
Der Küster fand noch das besagte Geldstück und versuchte das Rezept des Handwerksburschen gleich am nächsten Sonntag. Nach der Messe beobachtete der Küster dann den Kirchenausgang. Als er glaubte, alle Leute hätten die Kirche verlassen, sah er die der Hexerei verdächtige Frau noch auf ihrem gewohnten Platz in einer Bank sitzen. Der Küster fragte sie, ob sie noch auf jemanden warte. Sie antwortete, sie könne nicht aus der Kirche. Unter der Tür liege ein Hindernis und der Küster möge es wegnehmen, er habe es ja auch hingelegt.
Als die Frau die Kirche verlassen hatte, sann sie auf Rache. In der nächsten Nacht wurde der Küster auf schreckliche Weise aus dem Schlaf gerissen. Das Schlafzimmer war voller Katzen und eine zerkratzte dem Küster das Gesicht. In seiner Not griff der Küster nach dem Ofendeckel und schlug wie rasend um sich. Eine Katze begann fürchterlich zu schreien und plötzlich waren alle Tiere aus dem Schlafzimmer verschwunden.

Am nächsten Morgen fanden Kirchgänger die besagte Frau mit einem total entstellten Gesicht und zerschmettertem Schädel auf der Straße liegen. Von Hexen hat man seitdem in Wollseifen nichts mehr gesehen...

Ein Blick in die Geschichte der Dorfkirche.


Im Archiv der Pfarrgemeinde Wollseifen-Herhahn-Morsbach befinden sich noch beglaubigte Abschriften von älteren Urkunden und die von dem Wollseifener Pfarrer Hermann Löchte (geb. am 7. August 1850 in Steele) verfasste Pfarrchronik von Wollseifen, wo er vom 9. August 1893 bis zum 10. Juli 1903 wirkte.
Nach diesen Unterlagen ist eine Urkunde des Grafen Ernst von der Mark, worin er am Tage vor der Konsekration der Wollseifener Pfarrkirche, am 21. Oktober 1635, bestimmte, dass der Kirche in Wollseifen aus der gräflichen Kasse jährlich 10 Reichstaler zu geben seien, am 8. Mai 1843 an den gräflichen Nachfolger, den Prinzen von Aremberg in Brüssel, gegeben worden und von dort nicht mehr zurückgekommen.
Seit der Säkularisation ist das Geld nicht mehr an die Kirche in Wollseifen bezahlt worden. Pfarrer Löchte vertrat aber schon zu seiner Zeit den Standpunkt, dass nach der Säkularisation der preußische Staat und nicht der Prinz in Brüssel rechtlicher Nachfolger des Grafen Ernst sei, der Prinz also nicht mehr an die Kirche zu zahlen brauche.
1773 starb Ludwig Engelbert, als letzter Spross der Grafen von der Mark und Schleiden. Seine einzige Tochter Margareta brachte Schleiden an ihren Gemahl Karl von Aremberg, der meistens in Brüssel wohnte und 1878 starb. Ihm folgte sein ältester Sohn Ludwig Engelbert, der durch den Frieden von Luneville am 9. Februar 1801 seine linksrheinischen Besitzungen verlor und durch das münstersche Amt Meppen und die kölnische Veste Recklinghausen entschädigt wurde. 1810 verlor er durch Napoleon die Herrschaft in seinen Ländern und der Wiener Kongress vom 1. November 1814 bis 9. Juni 1815 gab ihm die Länder nicht zurück.
Die arembergischen Besitzungen auf dem linken Rheinufer erstreckten sich über eine Fläche von 1125 qkm mit 14.334 Einwohnern. Im Jahre 1379 kam Wollseifen durch Vergleich zwischen Johann von Schönforst, dem Burggrafen von Monschau und seiner Schwester an deren Gatten Peter von Kronenburg. Dieser Vergleich wurde von Herzog Wenzel von Luxemburg bestätigt. Der nach Wollseifen eingepfarrte Walberhof wurde 1145 von Kaiser Konrad dem Kloster Steinfeld zum Geschenk gemacht.
Zu dieser Zeit soll auf dem Walberhof bereits eine Kapelle gestanden haben, deren Existenz jedoch angezweifelt wird. Dass aber der Walberhof einmal eine kirchliche Bedeutung gehabt haben kann, dafür zeugen heute noch die gebräulichen Flurnamen „Paafenbaum“ sowie „Paafenweiher“ für einen kleinen Weiher, alles in unmittelbarer Nähe des Walberhofs. Dass sich auf dem Walberhof Mönche aufgehalten haben, dafür spricht auch die Bezeichnung „Paterskämertche“  für ein kleines Zimmer im Haus Nr. 110. In diesem Zimmerchen hat sich nach der Überlieferung während einer Verfolgungszeit ein Pater von Walberhof längere Zeit verborgen gehalten.
In Wollseifen soll bereits eine Kapelle im 9. Jahrhundert gestanden haben, an deren Stelle in den Jahren 1633 bis 1635 die jetzige Wollseifener Pfarrkirche erbaut wurde, jedoch sind die exakten Nachweise für das frühe Vorhandensein doch recht dürftig.
Kirchlich gehörte Wollseifen im 13. und 14. Jahrhundert nach Steinfeld. Im 15. Jahrhundert wurde es der Pfarrei Olef einverleibt.
1660 wurde Wollseifen zur selbstständigen Pfarrei erhoben, der Einruhr und die westlich der Straße gelegene Hälfte von Morsbach zugehörten. Unter Napoleon I. wurde die kirchliche Organisation aufgelöst. Wollseifen wurde durch Breve vom 25. August 1808 dem Kölner Administrator Fonk vom Lütticher Kapitularvikar überwiesen.
Der 1633 begonnene Bau der Kirche in Wollseifen wurde 1635 abgeschlossen. Der Turmhelm allerdings ist erst 1665 im Schleidener Auel gezimmert und in Wollseifen aufgerichtet worden.
In den Jahrhunderten nach der  Kircheinweihung  am 22. Oktober 1635 wurde noch manches an der Kirche verändert und ergänzt. Eine Orgelbühne erhielt die Kirche 1843. Inder Zeit von 1844 bis 1845 wurde die Kirche mit neuen Bänken ausgestattet.
Vor dem Turm wurde 1848 ein mit drei Türen versehenes Vorhaus errichtet. Für Mauerlohn erhielt Peter Josef Siever aus Dreiborn 36,75 Mark. Die Treppe zur Orgelbühne fertigte Peter Wilhelm Bongart aus Morsbach für 36 Mark. Derselbe legte auch Balken und Dielen auf die hintere Orgelbühne. Für neuneinhalb Arbeitstage erhielt er 9,50 Mark. 1888 wurde unter Pfarrer Esser an der Südseite der Kirche eine neue Sakristei gebaut. Die Kosten beliefen sich auf 1171,07 Mark. 1893 fertigte Peter Mey aus Morsbach für 30 Mark einen Schrank für die Sakristei.
Früher hatte eine Sakristei an der Nordseite der Kirche gestanden. Jakob Hauß mit seinen zwei Söhnen hatte sie 1716 gemauert. Der Lohn betrug für jeden Tag 10 Albus und die Kost, die für jeden mir 12 Albus gerechnet wurde. Acht Tage hatten die Männer an der Sakristei gearbeitet. Einschließlich der Gewerke kostete die frühere Sakristei 192 Gulden, 16 Albus und 11 Heller (ca. 145 Mark). Ein Handwerkertagelohn entspricht etwa dem Wert von 36 – 40 Pfennige und die dazu abgegebene Kost 30 – 36 Pfennige. Um das Jahr 1886 war der Handwerkerlohn bereits vier- bis fünfmal so hoch.
1635 wurde für die Kirche eine neue Glocke gegossen. Sie trug die Inschrift: St. Maria ora pro nobis 1635. Diese Glocke zersprang 1847 und wurde 1848 durch eine neue ersetzt. Sie wurde unter Pastor Hilger von dem Aachener Glockengießer Gaulard gegossen.
Diese Glocke zersprang bei dem für 14 Tage angeordnetem Trauergeläut für die Kaiserin Augusta, Gemahlin Wilhelms I., die am 7. Januar 1890 starb. Die zersprungene Glocke wurde durch die Marienglocke ersetzt, die 1894 aus der Glockengießerei Apolda (Thüringen) kam. Die Glocke trug auf der einen Seite das Bild der allerseligste Jungfrau Maria mit der Lilie und die Umschrift: In honorem Beatae Mariae Virginis. Für die andere Seite war die Inschrift: Anno MDCCCXCIV Leone Cardinale Krementz, Archipiscopo Coloniensie, Hermann Löchte Pastore in Wollseifen hanc campanam fecit Carolus Fredericus Ulrich Apolda Thuringia.
Die Inschrift auf der Glocke war jedoch geringfügig abgeändert. Der Preis der Glocke belief sich auf 829,80 Mark. Dazu kamen noch 20 Mark für den Klöppel, 4 Mark für Riemen und Schrauben und 5 Mark für die Benutzung von Seilen und Flaschenzügen. 2,10 Mark Wegegeld und 28,80 Mark für Metallpfannen sowie 10,50 Mark für Zapfen. Für den Transport von Gemünd bis Wollseifen erhielt der Fuhrmann 3 Mark. An Löhnen für Schmiede- und Zimmerarbeiten wurden noch 17,25 Mark ausgegeben.
Die Rochusglocke, die zweitgrößte im Geläut, wurde 1878 aufgehängt. Sie trug die Inschrift: Santus Rochus omnibus incolis defensor atque patronus. Anno electionis Summi Pontificis Coloniensi Dr. Paulo Melchers, Pastore ac Quirin Hilgers hanc campanam fecit Tiuti (Deutz) Andreas Rodenkirchen.
Die kleine Michaelsglocke aus dem Jahre 1652 trug die Inschrift: Sanct Michael heischen ich, Wollseifen gehor ich, Jakob von Trier goß mich 1652.
Diese Michaelsglocke und die Marienglocke wurden Ende des 18. Jahrhunderts nicht an die Französische Republik ausgeliefert, sondern in einem Schafstall verborgen. Während des Krieges 1914/18 wurden die beiden großen Glocken von Deutschen beschlagnahmt.

Der Bau der Urfttalsperre veränderte Wollseifen.

s. auch Artikel von Josef Lorbach


Wollseifen mit seinem Umland war 1609 als Enklave „Land Überrur“ erzbischöflicher Besitz. Später gehörte es zur Herrschaft Monschau und kam dann wie schon erwähnt zu Kronenburg und damit in den Bereich der Luxemburger, burgundischer, habsburgisch-spanischer und habsburgisch-österreichicher Lehnshoheit..
1685 bildete es die Grenze zwischen dem kurpfälzischen Jülich-Berg und den spanischen Niederlanden. Ein Jahrhundert später, 1777 bis 1794, war es Pufferzone zwischen österreichischem und bayrischem Gebiet. Durch die Metzer Réuionskammer wurde Überrur 1681 für Frankreich in Anspruch genommen.Diese wenigen Sätze lassen erkennen, wie unruhig und wechselvoll die Geschichte des heute von der Landkarte gestrichenen Dorfes Wollseifen während der vergangenen Jahrhunderte schon war. Fremde Söldnertruppen der verschiedensten Nationen durchzogen das Land, meistens brandschatzend und plündernd. Im Grunde genommen hat erst Napoleon dem Spuk ein Ende gesetzt. Aber auch Napoleons Herrschaft war nicht von langer Dauer, wenn auch heute noch einzelne napoleonische Gesetze Gültigkeit haben.


Der Marschtritt römischer Legionäre und der Landknechte und Söldner aus vielen Herrn Länder sowie die Soldaten Napoleons haben die rauhen Winde und den steinigen Boden kaum zu verändern gemocht. Die Bewohner Wollseifens haben immer  hart um ihr Brot arbeiten müssen, aber sie haben sich stets anzupassen gewusst.
Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts waren die Höhen bis fast in Reichweite des Dorfes überwiegend mit Heide und Ginster bewachsen. Mehrere tausend Schafe, meist in Gemeinschaftsherden, zogen tagein und tagaus futtersuchend über die Höhen, während die Wiesen im Urfttal und in den Seitentälern von Urft und Rur der Heugewinnung dienten. Rindviehzucht und Ackerbau wurden nur in bescheidenem Umfang betrieben.


Die Jahrhundertwende brachte für Wollseifen einen völligen Wandel. In dem bis dahin stillen Dorf wurde es mit einem Mal lebendig. Zunächst waren es nur ein paar Ingenieure und Vermessungsleute, die im Dorf Quartier bezogen, aber dann folgten hunderte fremder Arbeiter, zumeist Italiener, um in nahen Urfttal eine Talsperre zu bauen. Die Zahl der Quartiersleute überwog bald die Zahl der einheimischen Bevölkerung. Vier Jahre lang war Wollseifen das behelfsmäßige Zuhause vieler hundert fremder Arbeiter aus halb Europa.


Im Dorf setzte zunächst ein Jammern wegen des Verlustes der guten Wiesen ein, die im Urfttal dem Talsperrenbau zum Opfer fielen. Durch den Verlust der Talwiesen sahen die Wollseifener ihre bäuerliche Existenz dahinschwinden. Viele der Dorfbewohner griffen zu Hacke und Schaufel und arbeiteten am Talsperrenbau.

Den Verlust der Talwiesen begannen die Wollseifener durch Urbarmachung der Öd- und Heideflächen auf den Höhen in der Nähe des Dorfes wettzumachen. Die Schafherden wurden kleiner, aber Rindviehzucht und Ackerbau weiteten sich aus. Bald schon erwies es sich, dass die durch den Verlust der Talwiesen heraufbeschworenen Existenzsorgen unbegründet waren. Wollseifen blühte sichtlich auf.

 

Bis zur Zeit des Talsperrenbaus waren in Wollseifen Strohdächer noch vorherrschend, obwohl es schwer fiel, das notwendige Stroh für die Dacherneuerung herbeizuschaffen.
Nach Ausweitung des Getreideanbaues auf den Höhen des Dorfes, gab es wohl von Jahr zu Jahr mehr Stroh, aber die schwarz glasierten Tondachziegel aus den Ziegeleien in Schwerfen und Firmenich verdrängten die Strohdächer immer mehr. Auch wurden Schwemmsteine zu harten Konkurrenten für die holzgeflochtenen Lehmwände.


Zur Umgehung des enormen Höhenunterschiedes der Dorfstraße bauten die Wollseifener noch vor dem Ersten Weltkrieg den „neuen Weg“. Die ersten Dreschmaschinen, zunächst mit Handbetrieb und schließlich mit Göpelantrieb kamen ins Dorf. Sie verdrängten die guten alten Dreschflegel immer mehr. Kurz vor dem Ersten Weltkrieg ratterten die ersten Mähmaschinen durchs Dorf.

Bislang waren die Strohdächer in Wollseifen ein gesuchtes Motiv für zahlreiche Kunstmaler und manches Wollseifener Strohdach fand Beachtung und Bewunderung auf den großen Kunstausstellungen. Nun war es auch noch die Urfttalsperre, die zum Ziel zahlreicher Eifelwanderer und ganzer Familien wurde. Die Wollseifener passten sich rasch den veränderten Verhältnissen an und Touristen und Sommerfrischler fanden gastliche Aufnahme in den Wollseifener Bauernhäuser. Das Dorf war in der Aufwärtsentwicklung.
Dann kam der Erste Weltkrieg und gebot der Aufwärtsentwicklung ein bedingungsloses Halt. Die meisten Männer wurden zu den Waffen gerufen, von denen 26 nicht mehr in ihre Heimat zurückkehrten. Obwohl beherzte Frauen und Mädchen den Pflug in die Hand nahmen, blieb mancher Acker unbestellt und fiel der Verwüstung anheim. Auch im Dorf selbst blieb manches ungetan und die Häuser verwahrlosten mehr und mehr. Der Krieg machte aber auch vor den Wohnungstüren nicht halt und vieles an altem und wertvollen Kupfer- und Zinngerät wurde eingezogen. Dazu gehörten auch zwei Kirchenglocken, Orgelpfeifen und Kupferzeug.
Das Ende des Krieges, so unglücklich es auch sein mag, ließ die Wollseifener wieder neue Hoffnung schöpfen. Sie machten einen Anfang, obwohl die ruinierende Inflation für einen neuen Anfang nicht gerade günstig war. Aus eigenen Mitteln bauten sich die Wollseifener bis zum Jahre 1923 eine eigene Stromversorgung auf genossenschaftlicher Basis.
Wenige Jahre später bauten sie völlig ohne fremde oder öffentliche Mittel eine eigene Wasserversorgungsanlage.

 

Langsam aber stetig ging es aufwärts. In diesen Jahren entdeckten Wassersportler, vornehmlich aus Düren und Aachen den Urftstausee für ihren Sport. In mehreren Buchten entstanden regelrechte Badestrände und auf dem See wimmelte es von Kanus. Motorboote kamen neben dem starken Personenverkehr zwischen Gemünd und der Sperrmauer schon bald nach der Fertigstellung der Talsperre den See. In Wollseifen entstanden Fremdenpensionen und am Wollseifener Ufer der Urfttalsperre schossen Wochenendhäuser regelrecht aus der Erde.

Soldaten wurden zu Erntehelfern.


Die schwere Wirtschaftskrise zu Anfang der dreissiger Jahre ist an Wollseifen nicht einfach vorbeigegangen. Den Aufbruch der nationalsozialistischen Bewegung aber haben zahlreiche Wollseifener als einen Störfaktor und einen Einbruch in ihr Gemeinschaftsleben empfunden.
Es wird heute noch vielfach so dargestellt als ob der 1934 begonnene Bau der Ordensburg Vogelsang ein segensreicher Faktor für die wirtschaftliche Entwicklung der Eifel gewesen sei. Dem wird zumindest für den Bereich Wollseifen von den damaligen Bewohnern des Dorfes widersprochen. Es stimmt zwar, dass viele Wollseifener fünf Jahre lang für einen Stundenlohn von 54 Pfennigen als Bauarbeiter einen Arbeitsplatz fanden. Dem stand aber gegenüber, dass Wollseifen nahezu den ganzen von Vogelsang beanspruchten Grund und Boden hergeben musste.
Die letzten Winkel der Häuser des Dorfes waren mit Arbeitern und Soldaten belegt. Die Dorfbevölkerung und die Soldaten hatten sich sehr schnell aneinander gewöhnt. Die Soldaten wurden zu willigen Erntehelfern und bei der Feldarbeit waren sie nicht minder einsatzbereit.

Prinz Heinrich von Schaumburg-Lippe war in Wollseifen Ortskommandant und erwies sich als fürsorgender Vater für das ganze Dorf. Für zahlreiche Wollseifener und viele Soldaten war 1939 der Krieg etwas wie das Warten auf ein großes noch nicht vorstellbares Wunder.
Als im Mai 1940 der große Sturm gen Westen losbrach, war Wollseifen nach wenigen Tagen wie ausgestorben, aber der Flugplatz am Walberhof glich tagelang einer riesigen Staubwolke. Es wurden dort am Tag mehr als 700 Aufflüge registriert. Je weiter sich die deutsche Front nach Westen vorkämpfte, desto ruhiger wurde es auf dem Flugplatz. Die Luftwaffengeschwader wurden weiter nach Westen vorverlegt.
Danach verfiel Wollseifen für einpaar Jahre fast wieder in seine alten Gewohnheiten. Wohl leisteten die meisten Männer Kriegsdienst, aber es gab noch „UK“ gestellte Landwirte, die neben ihrem eigenen Betrieb auch die landwirtschaftlichen Betriebe der „Eingezogenen“ zu betreuen hatten. Es gab auch einschneidende Wirtschaftsbestimmungen. Lebensmittel und fast alle Wirtschaftsgüter waren zwangsbewirtschaftet.
Die Wollseifener hatten sich schnell der Zwangswirtschaft angepasst, so dass es während des ganzen Krieges in Wollseifen nicht zu einer einzigen Ahndung wegen Verletzung der Zwangswirtschaftsbestimmungen gekommen ist.

Harte Kämpfe um die Höhen von Wollseifen.


Nach dem Attentat auf Hitler, am 20. Juni 1944, hofften und glaubten die Wollseifener ganz allgemein auf und an eine baldige Enzscheidung des Krieges. Über dessen Ausgang machte man sich kaum noch Illusionen.
Zu lange schon hatten die Bewohner dieses Höhendorfes die Einflüge starker Bomberverbände beobachten können. Die zerstörten deutschen Großstädte und Industrieanlagen waren ihnen nicht unbekannt geblieben. Es kamen fast täglich Flüchtlinge aus den Städten ins Dorf, der Wohnungen zerstört waren, oder die ganz einfach dem Bombenterror entfliehen wollten. Viele dieser Flüchtlinge waren noch siegeszuversichtlich und sie meinten: „Der Führer hat noch was.“
Im September war schönstes Erntewetter, aber der Kanonendonner aus dem Westen kam immer näher und es dauerte nicht lange, da konnte man von Wollseifen aus die ersten Granateneinschläge in Kesternich beobachten.
Etwa Mitte September kamen die ersten Flüchtlingstrecks aus dem Monschauer Land ins Dorf. Viele blieben im Dorf, andere zogen weiter rheinwärts. Auswärtige Parteileute trieben das letzte verbliebene Vieh in großen Herden aus den Dörfern ab.
Am letzten Oktobersonntag schlugen die ersten Granaten in Wollseifen ein. Ab diesem Tag oder richtiger gesagt, seit der Allerseelenschlacht  am Vossenack, lag Wollseifen im Frontbereich. Die Dorfbewohner verlegten ihre Schlafstellen in die Keller ihrer Häuser oder in den Westwallbunker am Helingsberg.
Die Wollseifener und ihre Flüchtlinge hatten sich schon auf das Leben im Frontgebiet eingestellt. Die Stromzufuhr war unterbrochen und die Wasserversorgung lahm gelegt. In den frühen Morgenstunden konnten sich die Leute aus den noch vorhandenen Dorfbrunnen Wasser besorgen. Tagsüber war jede Bewegung auf der Dorfstraße wegen der feindlichen Fliegertätigkeit zu gefährlich. Einen Teil ihres Hausrates vergruben die Leute in die Erde.
Am 15. Dezember 1944, einen Tag vor dem Beginn der Ardennenoffensive brach über Wollseifen sozusagen die Welt zusammen. Gegen 12 Uhr legte ein starker Bomberverband einen grauenvollen Bombenteppich über das Dorf. Trümmer über Trümmer, 35 tote Zivilisten und viele tote Soldaten waren das Fazit.
Übrig blieben verstörte und verängstigte Menschen, darunter Frauen und Kinder, allerdings auch eine große Anzahl Verletzter. Am 21. Dezember folgte ein weiteres Bombardement und wieder mussten 10 Wollseifener ihr Leben opfern.
Der von der NSDAP ausgesprochene Räumungsbefehl am 22. Dezember gab den Leuten den Rest. Mit einpaar Habseligkeiten zogen sie, bei hohem Schnee und schneidender Kälte zum Dorf hinaus. Etwa 80 Einheimische und Flüchtlinge blieben in den Trümmern zurück.


Am Abend des 3. Februar 1945 kam von einem deutschen Gefechtsstand die Meldung: „Harte Kämpfe um die Höhen von Wollseifen.“
Gegen 9 Uhr am nächsten Tag, einem Sonntag, haben die Amerikaner das Dorf eingenommen. Die verbliebenen Zivilisten wurden von den Amerikanern nach Monschau und Umgebung evakuiert. Die Wenigen konnten im März wieder in ihr Dorf zurückkehren. Die Heimkehr der über den Rhein geflohenen Wollseifenern zog sich bis zum Juni hin.

Zwischen den Trümmern blühte der Ginster.


Im Frühjahr 1945 war Wollseifen wie viele andere Eifeldörfer ein Trümmerfeld. Reste ausgebrannter Autos, verglühte Panzer, Viehkadaver, ein Gewirr von Kabeln und Leitungsdrähten, aber auch noch sehr viele verborgene Mienen und Blindgänger vervollständigten das Bild der Landschaft, die vordem einmal die Heimat zahlreicher Menschen und Ferien- und Erholungsgebiet Ungezählter gewesen war.
Blühender Ginster und frisches Grün lugten indessen aus den Trümmern und zurückgelassenem Kriegmaterial hervor und entboten den Heimkehrenden die ersten Willkommensgrüße in der Heimat. Die Trauer um die zerstörte und ausgeplünderte Heimat und die Verbitterung bei vielen wurde bei diesem Anblick etwas herabgemindert.

Es musste ein neuer Anfang gemacht werden. Aber das Nötigste zum Leben fehlte. Glücklich, wer noch einen Pflug, ein Gerät oder ein Werkzeug für den Neubeginn vorfand. Vieh war so gut wie nicht vorhanden und das Geld hatte seinen Wert verloren. Die Überlebenden verlegten sich notgedrungen auf Tauschhandel, wie in den Urtagen der Menschheit, aber was kann ein heimgekehrter Flüchtling schon zum Tausch anbieten?

Die in Steinfeld untergebrachte Kreisverwaltung versuchte mit Bezugsscheinen für Vieh und andere Wirtschaftsgüter zu helfen, aber jeder war auf den guten Willen des anderen angewiesen. Es zeigte sich, dass in den Gebieten, die durch den Krieg am wenigsten gelitten hatten, die Herzen der Menschen am härtesten waren. So packten die Wollseifener ihr Schicksal mit beiden Händen an.
Zum Anfang wurden die Fensteröffnungen mit alten Brettern und mit aus den Trümmern gezogenem Blech vernagelt. Schließlich aber sah man da und dort auch schon mal eine Glasscheibe. Nach und nach kamen auch einpaar Kühe ins Dorf, mitunter mehr Knochengerüst als Kuh. Die Häuser wurden von Tag zu Tag wohnlicher. Überall zogen die Leute rostige Nägel aus den Trümmern und hämmerten sie wieder gerade für den Wiederaufbau.
Eine Arbeiterkolonne sammelte im Gelände Messingkartuschen der Amerikaner. Die Strom- und Wasserversorgung tauschte diese Kriegsreste in einem Kölner Werk gegen Kupferdraht und dieser Kupferdraht ermöglichte es den Wollseifenern sehr bald ihre Energieversorgungsleitungen wieder aufzubauen. So war Wollseifen das erste Dorf in weiter Runde, das wieder mit Strom versorgt werden konnte.
Nunmehr konnte man auch wieder an die Instandsetzung der Wasserversorgungsanlage denken, die allerdings zunächst mit einem vorsintflutlichen Dieselmotor betrieben wurde. Es galt mehr als 100 Rohrbrüche im Dorf zu verschweißen, weil es neue Rohre einfach nicht gab. Mit einem Marmeladeneimer auf dem Fahrrad schleppte ein Kölner Installateur den für die Schweißarbeiten nötigen Karbid heran.

Der schwerste Schlag.


Im Sommer 1946 glaubten die Wollseifener aus dem Gröbsten heraus zu sein, aber dann traf sie ein Schicksalsschlag, schwerer, als alle anderen zuvor: Die Räumung zum 1. September 1946.
Mit dem 1. September tat sich für alle Wollseifener eine neue, andere Welt auf. Die meisten von ihnen erlebten diesen ersten Septembersonntag unweit ihres Dorfes, in Morsbach, Dreiborn, Herhahn oder in einem anderen Dorf in der Nachbarschaft. Bislang hatten sie wohl ihre Füße unter den eigenen Tisch stellen können. An diesem 1. September jedoch waren sie zumeist die „Gäste“ ihrer Quartiergeber, nämlich wie es früher bei der Kirmes oder anderen Festlichkeiten gewesen war.
Montags sah die Welt aber schon ganz anders aus. Das Leben ging weiter. Die Quartiergeber hatten ihre Arbeit und ihre Alltagsverpflichtungen. Die Wollseifener hingegen hatten diesen Alltag nicht, obwohl sie ihre Hände nicht einfach in den Schoß legen konnten.
Das provisorisch untergebrachte Vieh musste versorgt werden und die Hausfrauen mussten daran denken, nach einer Feuerstelle Umschau zu halten, um für die Ihren etwas Essbares auf den Tisch bringen zu können. Dazu musste so vieles aus-, ein- und wieder umgeräumt werden. Am leichtesten fiel es den Kindern, sich in der neuen Umwelt zurechtzufinden. So schwer dieser Tag auch war, auch an diesem Tag senkte sich, wie seit Urzeiten im Westen die Sonne. Noch lebten die Wollseifener in der Hoffnung auf eine baldige Heimkehr.


Inzwischen rollten englische Panzer und andere militärische Fahrzeuge durch das menschleere Dorf Wollseifen. Soldaten und Arbeitsgruppen stellten an den Zufahrtswegen und im Gelände Verbots- und Hinweisschilder auf. Damit war Wollseifen und sein Umland militärisches Sperrgebiet und das Betreten unter Strafe gestellt.
In den Notquartieren der Wollseifener hörte man indessen ein Hämmern und Werken. Ein jeder war bemüht Mobiliar, Hausrat und landwirtschaftliche Gerätschaften, die vorerst nicht gebraucht wurden, notdürftig vor Witterungseinflüssen zu schützen. Jedes Brett, jedes Stück Pappe oder Blech und besonders jeder Nagel wurde wie ein Kleinod behandelt, denn zu kaufen gab es all das nicht.

Die Bauern in den Randdörfern des Truppenübungsplatzes begannen mit der Kartoffelernte und die „Evakuierten“ von Wollseifen gingen ihnen dabei bereitwilligst zur Hand. Es entstand stellenweise eine Lebens- und Schicksalsgemeinschaft, wie im Herbst 1944 als zahlreiche Dreiborner wegen der Frontnähe in Wollseifen evakuiert waren.
Damals halfen die evakuierten Dreiborner der Wollseifenern bei der Kartoffelernte und schauten dabei wehmütig auf ihr Dorf. Heute war es umgekehrt, die Wollseifener halfen den Dreibornern und blickten voller Wehmut auf ihr Dorf. Die Dörfer rings um den Truppenübungsplatz schienen zu einer Schicksalsgemeinschaft zusammengeschweißt und das war gut so, denn die versprochene und erwartet Hilfe der Behörden erwies sich als ein einziger Versager.
Schon bald wurden zahlreiche Unmutsbekundungen über das Schicksal der Wollseifener laut. Bald nach der Räumung des Dorfes brannte einige Häuser nieder und andere wurden durch Geschosseinschläge mehr oder weniger beschädigt. Türen, Fenster und besonders Dachrinnen wurden geplündert. Von einer finanziellen Entschädigung der Wollseifener sprach zunächst kaum einer. Es wäre auch unsinnig gewesen, denn für Geld konnte man ohnehin nichts kaufen.
Die Wollseifener wurden sozusagen stillschweigend von der Ablieferungspflicht landwirtschaftlicher Produkte befreit. Hart betroffen waren allerdings diejenigen, die weder Kuh noch Katz hatten. Sie hatten Mühe und Not, die Milch zu bekommen, die ihren Kindern kartenmäßig zustand. Hier waren die Betroffenen einfach auf ein gutes und warmes Herz angewiesen.

Für wertlose Reichsmark gab niemand etwas.


Den Wollseifern war bewusst, dass Notquartiere für sie keine Bleibe auf Dauer sein konnten.  Eine solche Belastung hätte man auch den Quartiergebern nicht zumuten können. Um nun eine Neuansiedlung zügiger als bisher voranzutreiben, wurde bei der Schleidener Kreisverwaltung ein „Referat Wollseifen“ eingerichtet.
Um den Wollseifener wirksam helfen zu können, hätte man ihnen zumindest geeignete Liegenschaften zur Verfügung stellen müssen. Die Erstellung von Gebäulichkeiten wäre dann die zweitrangige Aufgabe gewesen. Aber welcher Privateigentümer wäre zu diesem Zeitpunkt schon bereit gewesen, für wertlose Reichmark Grund und Boden herzugeben? Der Kreis Schleiden erwog die Landbeschlagnahme zugunsten der Wollseifener, aber dazu fehlte die rechtliche Grundlage.


Nach der Währungsreform im Sommer 1948 änderte sich die Lage der Wollseifener nur schleppend. Es fand sich keine Bank bereit, den Grund und Boden in Wollseifen zu kapitalisieren und so standen denn die Wollseifener wie heruntergelaufene Bettler am Grundstücksmarkt. Der spätere Vorsitzende des Traditionsvereins, Peter Körner, machte den Vorschlag, die Wollseifener auf dem Kermeter anzusiedeln. Die Bemühungen in dieser Richtung verliefen jedoch im Sande.
Inzwischen war auch ein besonderer Wollseifen-Ausschuss aktiv geworden, der in enger Zusammenarbeit mit dem Referat Wollseifen bei der Schleidener Kreisverwaltung die Wollseifener Belange zu ordnen versuchte. Der eigentliche und mitunter dröhnende Motor dieses Ausschusses war Dr. Jakob Flosdorff, der Geschäftsführer der Kreisbauernschaft bei Rheinischen Landwirtschaftsverband in Kall. Als Vorsitzender fungierte mehrere Jahre Josef Brüll.


Die Kreisverwaltung in Schleiden hatte des öftern darauf hingewiesen, das Problem Wollseifen dürfe nicht nur ein Problem des Kreises Schleiden sein, auch das Land müsse für das Problem Wollseifen ansprechbar sein. Die Bitten, die Anträge, die Vorschläge und auch die Proteste in Sachen Wollseifen fanden jedoch draußen im Lande mehr taube und verschlossene Ohren als offene.


Ein offenes Ohr fanden die Wollseifner lediglich bei dem damaligen Landwirtschaftsminister und späteren Bundespräsidenten Dr. Heinrich Lübke, der sich dafür einsetzte, dass bei der Besiedlung der Hürtgenwaldes immerhin 14 Wollseifener Familien eine Siedlerstelle erhielten. Während dessen führten die Wollseifener einen unerbittlichen Kampf mit der Finanzdirektion in Köln um die Entschädigungssätze und die Grundstückpreise bei den Verkäufen des Wollseifener Landes an die Bundesvermögensverwaltung.
Hier beriefen sich die Wollseifener auf einen Wertrahmen, den eine Sachverständigenkommission bei Mitwirkung des Aachener Regierungspräsidenten zum Erwerb des für die Aufstockung der Talsperre Schwammenauel erforderlichen Grundbesitzes in Einruhr festgelegt hatte. Dieser Wertrahmen lag nahezu um das Vierfache über den in Wollseifen gezahlten Grundstückspreisen.
In mehr als 50, mitunter stürmisch verlaufenden Versammlungen, die zumeist in Kall stattfanden, pochten die Wollseifener auf ihr Recht und erhoben zuweilen auch geharnischte Proteste.

Die Trümmer als Schreckgespenst vor Augen.


„Mehr Ehrfurcht vor dem Bauernland, denn Bauernland ist Gottesland“, so formulierte es Dr. Josef Flosdorff auf einer Bauernkundgebung im März 1953 in Schöneseiffen, als die Bauern von Schöneseiffen, Harperscheid, Bronsfeld, Dreiborn, Höfen, Eicherscheid und anderen Dörfern des Moschauer Landes gegen eine Ausweitung der beiden Truppenübungsplätze Vogelsang und Elsenborn protestierten.
Noch waren die Wunden um Wollseifen nicht vernarbt und noch kämpften die Wollseifener erbittert um eine rechtmäßige Entschädigung und schon wieder geiferten die Militärs nach weiterem Bauernland zwischen Vogelsang und Elsenborn. Der britische Residenz-Offizier hatte bei einem Höflichkeitsbesuch des Schleidener Landrats H. Molinari diese Pläne laut werden lassen.
In einer Kreistagssitzung vom 17. März 1953 erhob der Schleidener Kreistag Protest gegen die von Colonel Walser verlautbaren Pläne. Der Harperscheider Kreistagsabgeordnete H. Hörnchen machte darauf aufmerksam, dass durch die Ausführung dieser Pläne allein in Harperscheid und Schöneseiffen 69 Bauern ihre Existenz verlieren würden.
Der Gemeinde gingen 500 Morgen Land verloren und die Gemeinde verliere damit ihre Existenz- und Finanzkraft. Einzelne Kreistagsabgeordnete riefen zum aktiven Widerstand auf.
Der Kreistag beschloss die nachfolgende Resolution:
„Die Bevölkerung des Grenzkreises Schleiden hat in letzter Zeit von Plänen vernommen, durch Anlage eines neuen Truppenübungsplatzes die bestehenden von Elsenborn und Vogelsang zu vereinigen. Die Folge wäre, dass tausende Morgen Äcker, Wiesen und Waldland der Bewirtschaftung entzogen und die Einwohner mehrerer Dörfer von Haus und Hof vertrieben würden. Hierdurch hat sich der Bevölkerung eine große Unruhe und Erregung bemächtigt.
Dies ist um so begreiflicher, als die Bevölkerung des Grenzkreises Schleiden durch den monatelangen Endkampf zu Ende des Krieges, mehrfache Evakuierung und das Bestehen des Truppenübungsplatzes Vogelsang ohnehin schon hart getroffen ist. Zudem steht allen Einwohnern des Kreises das Schicksal des heute in Trümmern liegenden Dorfes Wollseifen als Schreckgespenst noch vor Augen, dessen Bewohner im September 1946 wegen Anlage des Schiessplatzes Vogelsang ihre Heimat aufgeben und heute noch auf die Erledigung ihrer berechtigten Entschädigungsansprüche warten.
Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte und im Hinblick auf die Tatsache, dass eine wirtschaftliche Gesundung des ohnehin schon schwer geprüften und armen Grenzkreises Schleiden durch die geplanten Maßnahmen zunichte gemacht würden, bittet der Kreistag Bezirks- und Landesregierung geeignete Schritte zu unternehmen, das drohende Unheil abzuwenden.“
Zunächst wurde dann von der Verwirklichung der Pläne Abstand genommen.

Das Patronatsfest wird zum Wollseifener Heimatreffen.


Bald nach der Räumung des Dorfes Wollseifen haben die Bewohner in der ehemaligen Rektoratskirche in Herhahn eine neue geistige Heimat gefunden. Die Statue ihres Pfarrpatrons, des heiligen Rochus, erhielt einen Ehrenplatz in der Kirche. Auch der Wetterhahn vom Turm der Wollseifener Kirche fand nach einer etwas abenteuerlichen Irrfahrt Aufnahme in der Kirche von Herhahn.
Regelmäßig im August jeden Jahres kommen die Wollseifener nach Herhahn, um ihr traditionelles Patronatsfest zu feiern. Für sie ist das Fest zu einem regelrechten Heimatreffen geworden.
Das ehemalige Rektorat Herhahn ist inzwischen zur Pfarre Wollseifen-Herhahn-Morsbach erhoben worden und die Kirche in Herhahn wurde beträchtlich erweitert und umgestaltet. Auch fanden zahlreiche, vom Wollseifener Friedhof umgebettete Tote auf dem Gemeindefriedhof in Herhahn ihre letzte Ruhestätte. Ihnen und den Kriegstoten haben die Wollseifener eine Gedächtnisstätte errichtet.

Bevor es aber soweit war, besuchten die Wollseifener am Allerheiligentag mit Genehmigung des Platzkommandanten von Vogelsang die Gräber ihrer Toten auf den beiden Friedhöfen in Wollseifen. Bei diesen Besuchen mussten die Wollseifener eine immer mehr fortschreitende Verwüstung der Gräber und eine weiter um sich greifende Zerstörung ihres Dorfes feststellen.
Der belgische Distriktskommandant Nosbeux aus Monschau, erklärte, dass er nicht die Gewähr dafür übernehmen könne, dass die Friedhöfe bei den militärischen Übungen unversehrt blieben. Er machte den wohlwollenden Vorschlag, die Wollseifener Toten umzubetten.
Die Aktion solle aber erst in Angriff genommen werden, wenn zwischen den belgischen Militärs, dem Wollseifen-Ausschuss und den deutschen Behörden völlige Übereinstimmung bestehe. Nach den Vorstellungen des belgischen Kommandanten sollten die Toten an den Wohnorten der ehemaligen Wollseifener beigesetzt werden. Hier gab es aber schon die ersten Schwierigkeiten, weil zahlreiche Wollseifener noch keine dauerhafte Bleibe hatten.
In mehreren Verhandlungen zwischen dem Schleidener Oberkreisdirektor, dem Wollseifen-Ausschuss und dem belgischen Kommandanten war über die Umbettung der Toten grundsätzlich Einigkeit erzielt worden.
In einer Versammlung der Wollseifener, in der es im wesentlichen wieder um Entschädigungsansprüche ging, sprachen sich dann aber einige Wollseifener gegen eine Umbettung zum gegenwärtigen Zeitpunkt aus. Sie argumentierten: „Noch ist Wollseifen unser Eigentum und unsere Heimat. Solange wir keine neue Heimat haben und nicht alle um unsere Zukunft wissen, wollen wir wenigstens den Toten ihre Ruhe lassen.“ Ein anderer Versammlungsteilnehmer rief: „Nun treiben wir schon seit acht Jahren heimatlos umher und jetzt sollen wir unseren Toten das gleiche Schicksal zumuten.“
Von dem Herhahner Pfarrer Wilhelm Grundmann kam dann der Vorschlag, auf dem Gemeindefriedhof in Herhahn eine Wollseifen-Gedächtniskirche zu errichten und alle Toten, deren Angehörige noch keine feste Bleibe haben und möglicherweise noch auf unabsehbare Zeit auf Irrfahrt bleiben, auf dem Friedhof in Herhahn beizusetzen. Damit geriet die Umbettungsfrage wieder in ein neues Stadium.

120 exhumierte Tote in fünf Zelten aufgebahrt.


Im Juli 1955 richtete Oberkreisdirektor Dr. Felix Gerhardus an die ehemaligen Bewohner von Wollseifen, deren Tote auf dem neuen Friedhof in Wollseifen beerdigt wurden, folgenden Brief:
„Zu einer Aussprache über die Umbettung Ihrer verstorbenen Angehörigen bitte ich am Freitag, 30. Juli zur Gastwirtschaft Gier in Kall zu kommen. Beginn: 15 Uhr.
Nachdem inzwischen die ermittelte Summe von 21.000 DM für die Grabmäler zur Verfügung gestellt worden ist, möchte ich in Gegenwart des Herrn Abgeordneten Dr. Schwering und des Herrn Pfarrers Grundmann mit Ihnen die Frage überlegen, ob Sie Ihre auf dem Friedhof in Wollseifen ruhenden Angehörigen Ihrem künftigen Heimatort oder auf einem gemeinsamen Friedhof in Herhahn überführen wollen.
Letzteres hätte den Vorzug, dass die alte, von Karl dem Großen erbaute Kapelle aus Gutshof Walberhof auf diesem Friedhof aufgestellt werden könne und der Kreis Schleiden hiermit eine Erinnerungsstätte für das Dorf Wollseifen sowie ein Friedensmahnmal in würdiger Form erhielte.
Ich bin Ihnen dankbar, wenn Sie sich diese Anregung bis Freitag überlegen wollten, damit wir diese Frage mit Würde in Pietät behandeln, wie wir es den Toten und uns selbst schuldig sind. Die Besprechung für Freitag wurde gestern mit dem Vorsitzenden des Wollseifen-Ausschusses und Herrn Dr. Schwering vereinbart.
Mit freundlichem Gruß Dr. Gerhardus.“
In der Versammlung bedauerte der damalige Vorsitzende des Wollseifen-Ausschusses Karl Keutgen, dass man den Kreisgeschäftsführer des Rheinischen Landschaftsverbandes Dr. Jakob Flosdorff nicht eingeladen habe. Dazu erklärte der Oberkreisdirektor, dass sich die Wollseifener mit der Ablehnung der Umbettung sehr geschadet hätten, eine freimütige Zustimmung hätte bei den Behörden einen besseren Eindruck hinterlassen.
Die Wollseifener unterbrachen daraufhin den Schleidener Oberkreisdirektor in seien Ausführungen und bemerkten, acht Jahre lang hätten sie im Vertrauen auf die bessere Einsicht des Staates und seiner Behörden auf Gerechtigkeit gehofft, inzwischen sei das Maß der Enttäuschung voll. Schönen Worten und Versprechungen schenke man keinen Glauben mehr.
Damit war die Versammlung wieder ganz auf das Thema der Entschädigung abgeglitten. In einer späteren Versammlung in Gemünd erreichte dann Dr. Flosdorff, dass auch die letzten drei Wollseifener ihre Zustimmung zur Umbettung gaben.
Am Montag, den 23. August 1955 leitete der Totengräber vom Hürtgenwald, Hauptmann a. D. Erasmus die Ausgrabung der Toten ein. Sie wurden in von den Belgiern zur Verfügung gestellten Särge gelegt und in fünf Zelten am Walberhof würdig aufgebahrt. Von den etwa 120 Toten fanden rund 30 eine letzte Ruhestätte auf dem Friedhof in Herhahn.

Vor der Überführung der Toten an ihren Bestimmungsort fand vor den Zelten am Walberhof ein Gedenkgottesdienst statt. Militärpfarrer Bonni von Vogelsang zelebrierte das Seelenamt unter Assistenz von Pfarrer Heßler, dem letzten Pfarrer von Wollseifen, Pfarrer Grundmann, Herhahn und Pfarrer Heitzer, Gemünd.

Der Wollseifener Wetterhahn auf dem Herhahner Kirchturm.


„Es steht ein Kirchlein im Blauen ...“, so überschrieb vor vielen Jahren eine Kölner Zeitung die Einzigartigkeit des Dorfes Wollseifen. Egal aus welcher Richtung man sich dem Dorfe auch näherte, man sah immer den Kirchturm gegen den blauen oder auch bewölkten Himmel.
Noch einige Jahre nach der Räumung des Dorfes Wollseifen ragte der Kirchturm als einstiges Wahrzeichen über den ihn umgebenden Trümmern und viele der in den Nachbardörfern wohnenden Wollseifener blickten täglich hoffnungs- und erwartungsvoll auf ihr zerstörtes Dorf. An einem Sommertag brach dann der Kirchturm infolge einer Sprengung in sich zusammen. Für die Wollseifener war damit die letzte Hoffnung auf eine Wiederkehr und das letzte Wahrzeichen des Dorfes in Trümmer gesunken.
Wie Diebe schlichen sich danach einige Wollseifener durch das gesperrte Gebiet an die zerstörte Kirche heran. In den Trümmern fanden sie den aufgesprengten Tabernakel des Hochaltars. Sie schleppten den geweihten Schrein als letzte Erinnerung an ihre Heimatkirche nächtlich fort und versteckten den Tabernakel in Morsbach in einer Scheune.
Bald danach hatte es sich rund gesprochen, dass der Wetterhahn vom Wollseifener Kirchturm gewissermaßen als Trophäe von englischen Soldaten nach Vogelsang gebracht worden war. Dort erhielt er einen bunt schillernden Anstrich, denn er sollte auf dem Dach der Wohnung des englischen Kommandanten in Kall Aufstellung finden. Jetzt hieß es für die Wollseifener auf der Hut zu sein.
In Vogelsang trat der Wetterhahn bald seine Fahrt nach Kall an, ohne jemals Kall zu erreichen. Etwa zehn Jahre lang war der Hahn wie vom Erdboden verschwunden. Zehn Jahre lang hatte der Wetterhahn ebenfalls in einer Scheune in Morsbach, unweit des Tabernakels aus der Wollseifener Kirche im Exil verbracht.
Nach einigen vermittelnden Gesprächen hat Pfarrer Wilhelm Grundmann dem Wetterhahn einen Ehrenplatz in der Herhahner Kirche eingeräumt. An der Holztäfelung im Kirchenraum hatte er einen Platz gefunden, allerdings ohne besondere Aufgabe und Funktion. Am Patronatsfest war er wieder von den früheren Dorfgenossen umgeben.
Als dann die Kirche in Herhahn die neue Pfarrkirche der Pfarre Wollseifen - Herhahn - Morsbach gebaut wurde, kam der Wetterhahn wieder voll zu Ehren. Die Wetterhähne von Herhahn und Wollseifen hatten eine Schönheitskonkurrenz zu bestehen. Dabei war es für den Herhahner Wetterhahn von Nachteil, dass er ohne Beine war. Dem Wollseifener Wetterhahn aber sah man nicht mehr an, dass man ihm einmal in einer Neujahrsnacht ein Loch in die Brust geschossen hatte.

 

(Anmerkung: Heute steht der Wollseifener Wetterhahn wieder in „Amt und Würden“ auf dem nicht ganz so hohen Kirchturm der Wollseifener Kirchenruine St Rochus und schaut herab auf die Trümmer von Wollseifen....)

Der Wollseifen-Ausschuss wurde zum ersten Vorstand des Traditionsvereins.


Brauchtum und Tradition waren den Wollseifenern von je her heilig. Sie hielten etwas von Ihrer Kirmes und von ihrem Rochusfest. Für jeden in der Fremde lebenden Wollseifener war es eine Selbstverständlichkeit, dass er Allerheiligen in sein Dorf kam und an den Gräbern derer, die ihm im Leben nahegestanden hatten, ein Gebet sprach und einpaar letzte Herbstblumen oder einen Kranz niederlegte. Viele kamen auch im Herbst in ihr Heimatdorf um an der Fußwallfahrt nach Barweiler teilzunehmen.
Es ist also letztlich nicht verwunderlich, wenn die Wollseifener 15 Jahre nach der Vertreibung aus ihrem Heimatort einen Traditionsverein gründeten.

Bis zum September 1959 hatte der „Wollseifen-Ausschuss“ die rechtlichen Belange der Wollseifener wahrgenommen.
In den 15 Jahren gab es zumeist harte und stürmische Verhandlungen. Dazwischen dann immer harte Verhandlungen mit den deutschen Behörden um Entschädigungen und Landpreise und schließlich auch um die Umbettung der Toten.
Nachdem dann auf diesen Gebieten das Gröbste getan war, fiel den Wollseifener ihr Hang zur Tradition und zum Brauchtum wieder ein. Der Wollseifen-Ausschuss wurde zunächst zum Verstand des Vereins bestellt. Seine erste Aufgabe sah der Traditionsverein in der Vorbereitung und Organisation des Patronatsfestes, als Heimattreffen in Herhahn.
Diese Aufgabe ist der Verein bis heute in vorbildlicher Weise gerecht geworden. Auch führt der Verein seit längerem ein Seniorentreffen durch, was bei den Wollseifenern einen sehr guten Anklang gefunden hat.


Im Auftrage des Vereins hat Peter Körner, langjähriger Vorsitzender und später Ehrenvorsitzender des Vereins, eine Dorfchronik unter dem Titel „Wollseifen – das tote Dorf“ geschrieben. Durch reinen Zufall kam der Traditionsverein auch bald zu einer Vereinsfahne, um die sich gleich die ganze Dorfgemeinschaft scharte. Seitdem ist die Fahne bei jeder Beerdigung eines Wollseifeners dabei.
Bevor die Fahne in die Obhut des Traditionsvereins kam, war sie die Fahne des Wollseifener Männergesangvereins. Nach langen Jahren der Irre hatte sie heimgefunden, heimgefunden nicht mehr in ihr Dorf, sondern in die Obhut des früheren Fähnrichs des Männergesangvereins, Christoph May in Schleiden.
Bei der Eroberung von Wollseifen im Februar 1945 hatten amerikanische Soldaten die Fahne mitgenommen. Bei dem Kampf um Remagen hatten diese Soldaten in Erpel Quartier bezogen. Eine Familie Koch hatte ihre Wohnung für die Amerikaner abgeben müssen. Als die Familie Koch später wieder in die Wohnung einziehen konnte, fand sie die Fahne, die von den Amerikanern als Tischdecke benutzt worden war.
Später dann versuchte die Familie Koch den Wollseifener Gesangverein ausfindig zu machen. Die Nachsuche erwies sich als überaus schwierig. Schließlich schrieben die Kochs an die Kreisverwaltung in Schleiden. Die Kreisverwaltung fand schließlich den Fähnrich Christoph May. Danach ging die Korrespondenz zwischen Erpel und Schleiden hin und her und bald fand die Fahne wieder heim, zu ihrem alten Fähnrich und zu der alten Wollseifener Dorfgemeinschaft.

In alle Himmelsrichtungen zerstreut.


Inzwischen leben die Wollseifener in allen vier Himmelsrichtungen, wie vom Winde verweht. Sie sind wieder sesshaft geworden. Die Wollseifener haben in Morsbach, Herhahn, Dreiborn, Schleiden und Gemünd, in Kall, Blankenheim, Euskirchen, Monschau, Simmerath, Sötenich und besonders in Hürtgenwald, in Aachen, Kerkrade, Kornelimünster, in der Grafschaft Schmallen, in Dornap, Spaichingen  und vielen anderen Städten und Dörfern eine neue Heimat gefunden.
Das Dreiborner Land westlich und nördlich des Dorfes wurde von der Bundesvermögensverwaltung übernommen und wurde damit auch fester Bestandteil des Truppenübungsplatzes Vogelsang, aber die Dreiborner selbst konnten in ihrem Dorf bleiben.
Fast eine ganze Generation der Wollseifener, die noch an eine Rückkehr in ihr Dorf glaubten, ist gestorben, ohne mit ihrer Heimaterde zugedeckt worden zu sein. Inzwischen ist aber eine neue hoffnungsvolle Generation, die den Geist von Wollseifen noch in sich trägt, herangewachsen. Auch diese junge Generation, mit ganz anderen Lebensgewohnheiten und Ansichten, fühlt sich zumeist noch mit der alten Generation und deren Vorfahren verbunden.
Der Traditionsverein Wollseifen hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Verbindung auch über Generationen hinaus zu erhalten, soweit die örtlichen und zeitlichen Entfernungen auch sein mögen.
Die  Wollseifener haben ihr Dorf und ihre Scholle verlassen, aber sie sind nur der Gewalt gewichen. Sie haben ihre Heimat, das Erbe ihrer Väter, auf den Opferaltar für ein geeintes Europa und für den Frieden unter den Völkern gelegt; sie haben ihre Heimat nicht leichten Herzens und nicht kampflos aufgegeben.
In mehr als 50 Versammlungen haben sie schließlich auch um einen ehrlichen Preis für ihre verlassene Heimat gekämpft. Alle Instanzen, darunter auch Abgeordnete und Minister, haben sie bemüht, wenn auch ohne jeden Erfolg. Selbst vor dem Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages sind sie nicht zurückgeschreckt.
Ein Verfechter der Wollseifener Belange, darunter in erster Linie der Wollseifen-Ausschuss und der langjährige Sachwalter Dr. Jakob Flosdorff, als Kreisgeschäftsführer des Rheinischen Landwirtschaftsverbandes, können für sich in Anspruch nehmen, ihre Pflichten bis zum Letzten erfüllt zu haben.

Diese Aufzeichnungen wurden nicht geschrieben, um Anklage zu erheben, Mitleid zu erwecken oder einen Trauergesang anzustimmen. Sie sollen nur leidenschaftslos zeigen, wie es einmal war; sie sollen aber auch allen sagen: „Trümmer schweigen nicht.“


Der Autor Josef Lorbach, auch unter dem Autorennamen „Krommenauels Jüpp“ bekannt, schrieb diese Zeilen im Jahr 1981.

Er verstarb wenige Jahre später, am 24. April 1984 im Alter von 75 Jahren in Gemünd.